Einleitung
In dieser Folge von The Drive setzt sich Gastgeber Peter Attia mit Dr. Anna Lembke, Leiterin der Stanford Addiction Medicine Dual Diagnostic Clinic und Autorin von *Dopamine Nation*, zusammen. Sie erforschen die neurowissenschaftlichen Grundlagen der Sucht und konzentrieren sich dabei auf die Rolle von Dopamin bei Vergnügen, Motivation und Verhalten. In einer ausgewogenen Mischung aus wissenschaftlichen Erklärungen und persönlichen Geschichten geht es in dieser Folge um die Ursachen der Sucht, die Auswirkungen verschiedener Substanzen und Verhaltensweisen und den Weg zur Suchtbewältigung. Der Ton ist informativ und gleichzeitig einfühlsam, da sowohl Attia als auch Lembke über die Kämpfe nachdenken, die Menschen mit den verschiedenen Formen der Sucht haben.
Wesentliche Erkenntnisse
- Dopamin spielt bei der Sucht eine zentrale Rolle: Es steuert Vergnügen, Belohnung und Motivation, kann aber auch zu zwanghaftem Verhalten führen, wenn seine Bahnen überreizt sind.
- Sucht wirkt sich auf jeden Menschen anders aus: Genetik, Erziehung und Zugang zu Substanzen beeinflussen die Anfälligkeit einer Person für Sucht.
- Zur Suchtbewältigung gehört eine Neueinstellung des Gehirns: Die Abstinenz von süchtig machenden Substanzen oder Verhaltensweisen kann das Belohnungssystem des Gehirns mit der Zeit wieder ins Gleichgewicht bringen.
- Kreuzsucht ist weit verbreitet: Menschen wechseln oft von einer Sucht zu einer anderen, ob es sich nun um Substanzen oder Verhaltensweisen wie Online-Shopping oder Arbeitssucht handelt.
- 12-Schritte-Programme sind nach wie vor wirksam: Trotz Kritik glaubt Lembke an ihren Wert, insbesondere für die Schaffung von Gemeinschaft und Verantwortlichkeit in der Suchtbewältigung.
Zusammenfassungen
Die Rolle von Dopamin in der Sucht
Lembke erklärt zunächst die entscheidende Rolle von Dopamin im Gehirn, insbesondere in den Belohnungsbahnen, die für Freude und Motivation verantwortlich sind. Jedes Mal, wenn wir etwas Angenehmes erleben, wie das Essen einer Lieblingsspeise oder den Gewinn eines Spiels, wird Dopamin ausgeschüttet. Diese Freisetzung motiviert uns dazu, mehr von diesen angenehmen Erfahrungen zu suchen. Wenn die Dopaminwege jedoch übermäßig stimuliert werden - sei es durch Drogen, Glücksspiel oder sogar soziale Medien - passt sich das Gehirn an, indem es seine natürliche Dopaminproduktion verringert, was zur Sucht führt. Lembke beschreibt Sucht als das Ungleichgewicht zwischen dem Streben nach Vergnügen und der Vermeidung von Schmerz.
Sie erklärt weiter, dass Dopamin nicht der einzige Neurotransmitter ist, der bei der Sucht eine Rolle spielt, aber er dient als "letzter gemeinsamer Weg" für alle süchtigen Verhaltensweisen. Unabhängig davon, ob es sich um eine Alkohol-, Nikotin- oder Online-Shopping-Sucht handelt, wird das Belohnungssystem des Gehirns schließlich so umprogrammiert, dass es dieser Aktivität Vorrang vor anderen gesunden Aktivitäten einräumt. Diese Neuverdrahtung führt häufig zu den zwanghaften Verhaltensweisen, die für die Sucht charakteristisch sind.
Die vier Cs der Sucht verstehen
Um Sucht klinisch zu definieren, verwendet Lembke das Modell der "vier Cs": Control (Kontrolle), Compulsion (Zwang), Craving (Verlangen) und Continued Use (fortgesetzter Konsum trotz der Konsequenzen). Sie stellt fest, dass es bei der Sucht nicht um ein gelegentliches übermäßiges Verlangen geht, sondern um ein Verhaltensmuster, das jemand nicht kontrollieren kann. Aus diesem Grund können Menschen beispielsweise eine ernsthafte Spielsucht entwickeln, auch wenn sie kein Geld verlieren - es ist der geistige Platz, der durch die Aktivität verbraucht wird, der die Sucht signalisiert.
Lembke erklärt, dass das Phänomen der Toleranz und des Entzugs auch bei der Sucht eine zentrale Rolle spielt. Mit der Zeit verliert die Substanz oder das Verhalten ihre ursprüngliche Wirksamkeit, so dass der Betroffene mehr konsumieren muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Entzugserscheinungen, ob körperlich (im Falle von Substanzen) oder psychisch (wie beim Glücksspiel), verkomplizieren den Kreislauf noch weiter und machen es den Menschen schwerer, aufzuhören.
Kreuzsucht und die Macht der Abstinenz
Einer der faszinierendsten Aspekte der Sucht ist laut Lembke die Kreuzsucht, bei der Menschen von einem Suchtverhalten zu einem anderen wechseln. Das kann von Substanzen wie Alkohol bis hin zu Verhaltensweisen wie Arbeitssucht oder Online-Shopping reichen. Die zugrunde liegenden neuronalen Schaltkreise sind die gleichen, auch wenn die äußere Erscheinungsform eine andere ist. Lembke berichtet, wie häufig es vorkommt, dass Menschen, die sich von einer Drogensucht erholen, eine neue, scheinbar harmlose Sucht nach etwas wie Sport oder Essen entwickeln.
Der Genesungsprozess, so erklärt Lembke, erfordert eine lange Abstinenz vom Suchtverhalten, damit das Gehirn seinen Dopaminspiegel neu einstellen kann. Dies kann Wochen dauern, aber sobald das Dopamingleichgewicht wiederhergestellt ist, berichten die Betroffenen oft, dass sie sich zufriedener und weniger ängstlich fühlen. Sie betont, dass dies zwar schwierig ist, aber eine der wirksamsten Methoden zur Suchtbekämpfung darstellt. Die Idee des "Dopamin-Fastens", wie sie es nennt, ist ein gängiges Mittel, das sie bei ihren Patienten anwendet, indem sie sie bittet, für einen bestimmten Zeitraum auf ihr Suchtverhalten zu verzichten.
Sucht in der modernen Welt
Lembke und Attia untersuchen, wie sich die Sucht in der modernen Welt entwickelt hat, in der Substanzen und Verhaltensweisen, die Dopaminausschüttungen auslösen, leichter zugänglich sind als je zuvor. Lembke verwendet die Metapher von "Kakteen, die in einem Regenwald leben", um die moderne Beziehung des Menschen zum Überfluss zu beschreiben. Historisch gesehen hat sich unser Gehirn so entwickelt, dass es als Überlebensmechanismus nach Vergnügen sucht, aber in der heutigen Welt ist Vergnügen leicht zugänglich, und das Belohnungssystem des Gehirns wird überstimuliert.
Sie diskutieren konkrete Beispiele wie die Zunahme der Cannabisabhängigkeit bei jungen Erwachsenen und die Normalisierung von Verhaltensweisen wie die ständige Nutzung sozialer Medien. Lembke erzählt auch eine ergreifende Geschichte über eine junge Frau, die von Cannabis abhängig war und es zunächst nicht als Problem erkannte, weil es ihr half, ihre Ängste zu bewältigen. Erst nach einer Zeit der Abstinenz erkannte sie, wie sehr die Droge zu ihren Ängsten beitrug, anstatt sie zu lindern.
12-Schritte-Programme und ihre Wirksamkeit
Trotz der Kontroversen, die die 12-Schritte-Programme umgeben, ist Lembke ein starker Verfechter ihres Wertes, insbesondere bei der Förderung einer langfristigen Suchtbewältigung. Sie räumt ein, dass nicht jeder für diese Programme empfänglich ist, aber sie betont die Gemeinschaft und die Verantwortlichkeit, die sie bieten. Für viele bieten 12-Schritte-Programme die Struktur und Unterstützung, die notwendig sind, um die Abstinenz aufrechtzuerhalten, was der Schlüssel ist, um die Belohnungssysteme des Gehirns wieder in Gang zu setzen.
Lembke geht auch auf den spirituellen Aspekt der Suchtbewältigung ein, den sie für Patienten, die sich verloren oder hoffnungslos fühlen, als besonders nützlich erachtet. Die Kontrolle abzugeben und ein höheres Ziel zu finden, kann ihrer Meinung nach für diejenigen, die mit der Sucht kämpfen, unglaublich hilfreich sein. Sie betont auch die Bedeutung von Gemeinschaft und Verantwortlichkeit bei der Überwindung von Suchtverhalten.
Zusammenfassung
Diese Folge bietet einen tiefen Einblick in die komplexe Natur von Sucht und Suchtbewältigung. Dr. Anna Lembke vermittelt den Zuhörern ein gründliches Verständnis dafür, wie Sucht auf neurologischer Ebene funktioniert, und bietet gleichzeitig praktische Strategien zu ihrer Überwindung. Indem sie sich auf die Rolle von Dopamin, die vier K's der Sucht und die Kraft der Abstinenz konzentriert, gibt Lembke denjenigen, die mit der Sucht kämpfen, Hoffnung und einen Fahrplan für eine langfristige Suchtbewältigung.
Attias und Lembkes Gespräch ist sowohl aufschlussreich als auch nachvollziehbar und erinnert die Zuhörer daran, dass es bei der Sucht nicht nur um Substanzen geht, sondern dass sie sich auch in alltäglichen Verhaltensweisen manifestieren kann. Letztlich ist Lembkes Botschaft von Optimismus geprägt: Mit der richtigen Unterstützung und den richtigen Hilfsmitteln ist eine Suchtbewältigung für jeden möglich.