In dieser bahnbrechenden Folge von The Drive führt der Moderator Peter Attia ein neues Diskussionsformat ein: einen runden Tisch mit führenden Experten für Langlebigkeit. Ziel ist es, ein tiefgründiges und nuanciertes Gespräch über die wichtigsten Themen der Alternsforschung zu führen, von der Gesundheitsspanne und der Lebensdauer bis hin zur Zukunft gerowissenschaftlicher Interventionen.
Peter wird von drei angesehenen Gästen begleitet:
- Dr. Steve Austad: Ein Biologe, der sich auf die evolutionären und mechanistischen Grundlagen des Alterns spezialisiert hat. Seine Arbeit konzentriert sich darauf, zu verstehen, wie verschiedene Spezies unterschiedlich schnell altern und was wir daraus über die menschliche Langlebigkeit lernen können.
- Dr. Richard Miller: Ein führender Forscher im Bereich der Gerontowissenschaften und leitender Forscher im Interventions Testing Program (ITP) des National Institute on Aging (NIA). Seine Forschung hat entscheidend dazu beigetragen, Wirkstoffe zu identifizieren, die die Lebensspanne von Mäusen verlängern.
- Dr. Matt Kaeberlein: Ein Wissenschaftler, der für seine Arbeiten zur Biologie des Alterns bekannt ist, insbesondere für die translationale Forschung zur Verlängerung der Lebensspanne. Er ist maßgeblich am Dog Aging Project beteiligt, das Interventionen zur Verlängerung der Lebenserwartung bei Haustieren erforscht.
In dieser Folge wird ein breites Spektrum an Themen behandelt, darunter das wachsende öffentliche Interesse an der Langlebigkeit, die Verbindung zwischen Gesundheit und Lebenserwartung, die Wirksamkeit von Anti-Aging-Interventionen wie Rapamycin, Senolytika und GLP-1-Rezeptor-Agonisten sowie die Herausforderungen, die sich durch regulatorische und finanzielle Hindernisse ergeben. Die Diskussion befasst sich auch mit der Zuverlässigkeit von Alterungs-Biomarkern und der Debatte über seneszente Zellen.
Wesentliche Erkenntnisse
- Das Interesse der Öffentlichkeit an Langlebigkeit: Langlebigkeit ist zu einem immer beliebteren Thema geworden, was zum Teil auf technologische Fortschritte und Investitionen prominenter Tech-Unternehmer zurückzuführen ist. Es gibt jedoch Bedenken, dass dieser Enthusiasmus Fehlinformationen und die Kommerzialisierung unbewiesener Maßnahmen fördert.
- Gesundheit und Lebenserwartung: Untrennbar? Das Gremium debattiert darüber, ob die Gesundheitsspanne (Lebensqualität) verlängert werden kann, ohne die Lebensspanne zu erhöhen. Der Konsens ist, dass beide untrennbar miteinander verbunden sind, wobei Eingriffe, die die Lebensspanne verlängern, im Allgemeinen auch die Gesundheitsspanne verbessern.
- Pharmazeutische Eingriffe: Medikamente wie Rapamycin, Metformin und GLP-1-Rezeptor-Agonisten versprechen eine Verlängerung der Lebensspanne, aber der Nachweis ihrer Wirksamkeit beim Menschen bleibt eine Herausforderung.
- Herausforderungen bei der Finanzierung der Alternsforschung: Ein wichtiges Problem auf diesem Gebiet ist die unzureichende Finanzierung im Vergleich zur krankheitsspezifischen Forschung. Die NIH-Mittel werden unverhältnismäßig stark für Krankheiten wie Krebs und Alzheimer eingesetzt, obwohl das Altern der größte Risikofaktor für diese Krankheiten ist.
- Sind Biomarker für das Altern zuverlässig? Die wissenschaftliche Gemeinschaft diskutiert immer noch darüber, welche Biomarker das biologische Altern zuverlässig verfolgen können. Ohne genaue Indikatoren ist es schwierig, die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Verlängerung der Lebenserwartung in klinischen Studien zu messen.
- Die Kontroverse um seneszente Zellen: Während einige Wissenschaftler glauben, dass die Beseitigung seneszenter Zellen das Altern verlangsamen könnte, argumentieren andere, dass die Beweise widersprüchlich sind und dass das Konzept der Seneszenz selbst schlecht definiert ist.
- GLP-1-Agonisten als Anti-Aging-Medikamente: Medikamente wie Semaglutid und Tirzepatid werden auf ihre potenziellen geroprotektiven Wirkungen untersucht, die über Gewichtsabnahme und Diabetesmanagement hinausgehen.
- Die Realität der Parabiose-Forschung: Während junge Bluttransfusionen bei Mäusen vielversprechend waren, ist man skeptisch, ob solche Therapien beim Menschen von Nutzen sein werden.
- Regulatorische und politische Hindernisse: Die Verlagerung von mehr NIH-Mitteln auf die Alternsforschung ist aufgrund politischer Widerstände und des Wettbewerbs mit krankheitsspezifischen Finanzierungslobbys schwierig.
- Die Zukunft der Langlebigkeitswissenschaft: Die Diskussionsteilnehmer sind sich einig, dass die Langlebigkeitsforschung bessere Biomarker, groß angelegte Studien am Menschen und eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit braucht, um voranzukommen.
Schlüsselpunkte der Diskussion
Der Langlebigkeitsboom: Ein vorübergehender Trend oder ein Paradigmenwechsel?
Das Gespräch beginnt mit einer Erkundung der Gründe, warum die Langlebigkeitswissenschaft zu einem heißen Thema geworden ist. Dr. Austad führt dieses steigende Interesse auf die wachsende Erkenntnis zurück, dass Altern ein veränderbarer Prozess und kein unausweichlicher Niedergang ist. Er merkt an, dass die Langlebigkeitsforschung früher ein Randgebiet war, heute aber aufgrund der Fortschritte in der Genetik und Molekularbiologie an Glaubwürdigkeit gewonnen hat.
Dr. Miller zeigt sich jedoch besorgt darüber, dass der Hype um die Langlebigkeitswissenschaft zu einem Zustrom kommerzieller Produkte geführt hat, die wissenschaftlich nicht abgesichert sind. Er warnt vor dem Aufkommen von "Langlebigkeits-Schlangenöl", bei dem Unternehmen Nahrungsergänzungsmittel und Therapien mit wenig bis gar keiner nachgewiesenen Wirksamkeit verkaufen.
Gesundheitsspanne vs. Lebenserwartung: Kann man das eine ohne das andere verlängern?
Ein wichtiges Thema in der Diskussion ist die Frage, ob die Gesundheitsspanne verlängert werden kann, ohne die Lebensspanne zu erhöhen. Dr. Kaeberlein argumentiert, dass alle bekannten lebensverlängernden Maßnahmen bei Tieren auch die Gesundheit verbessern, so dass die beiden Konzepte untrennbar sind. Dr. Austad stellt jedoch epidemiologische Daten vor, die zeigen, dass in den Vereinigten Staaten die Kluft zwischen der Gesundheitsspanne und der Lebensspanne immer größer wird, was größtenteils auf Fortschritte bei medizinischen Eingriffen zurückzuführen ist, die die Menschen zwar länger am Leben erhalten, aber nicht unbedingt ihre Lebensqualität verbessern.
Dr. Miller fügt hinzu, dass einige zwar glauben, dass es möglich ist, die Gesundheitsspanne unabhängig davon zu verlängern, dass es aber kaum Beweise dafür gibt. Er schlägt vor, dass wirksame Anti-Aging-Maßnahmen auf beide Aspekte gleichzeitig abzielen sollten.
Die Herausforderungen beim Testen von Alterungsmaßnahmen am Menschen
Eine der größten Hürden in der Langlebigkeitsforschung ist die Schwierigkeit, Versuche am Menschen durchzuführen. Im Gegensatz zu Mäusen, die nur wenige Jahre leben, erfordern Studien zum Altern beim Menschen eine jahrzehntelange Nachbeobachtung. Dr. Miller erklärt, dass es deshalb von entscheidender Bedeutung ist, Biomarker zu identifizieren, die als Näherungswerte für die biologische Alterung dienen können.
Dr. Kaeberlein schlägt vor, dass Forscher nicht Jahrzehnte auf schlüssige Daten zur Lebenserwartung warten, sondern sich auf Zwischenmarker wie Stoffwechselveränderungen, Immunfunktionen und epigenetische Veränderungen konzentrieren sollten, um auf mögliche Vorteile von Interventionen zu schließen.
Rapamycin: Das vielversprechendste Anti-Aging-Medikament?
Die Diskussion wendet sich Rapamycin zu, einem Medikament, das ursprünglich als Immunsuppressivum entwickelt wurde, heute aber wegen seiner potenziellen Vorteile für die Langlebigkeit umfassend untersucht wird. Dr. Miller hebt hervor, dass Rapamycin die Lebensspanne von Mäusen durchweg verlängert, unabhängig davon, wann die Behandlung begonnen wird. Dies hat es zu einem der überzeugendsten Kandidaten für Versuche am Menschen gemacht.
Ein wichtiger Punkt ist jedoch die Dosierung. Die meisten Menschen, die Rapamycin zur Behandlung der Langlebigkeit verwenden, nehmen es in Intervallen ein (z. B. einmal pro Woche), während es in den Mäusestudien täglich verabreicht wird. Die Diskussionsteilnehmer erörtern, ob eine intermittierende Verabreichung die gleichen Vorteile bringt und ob die langfristige Anwendung potenzielle Nebenwirkungen hat.
Die Kontroverse über seneszente Zellen
Die Diskussion nimmt eine kontroverse Wendung, als es um seneszente Zellen geht. Dr. Miller übt scharfe Kritik an der Forschung und argumentiert, dass die Definition von Seneszenz zu weit gefasst ist und dass die Wirksamkeit von Senolytika noch nicht bewiesen ist. Er berichtet von seinen eigenen gescheiterten Versuchen, Studien zu wiederholen, die behaupten, dass die Entfernung seneszenter Zellen die Lebensspanne verlängert.
Dr. Austad und Dr. Kaeberlein halten dagegen und verweisen auf Forschungsergebnisse, die zeigen, dass die Beseitigung von P16-positiven Zellen bei Mäusen zu gesundheitlichen Verbesserungen führt. Sie argumentieren, dass das Feld zwar überbewertet sein mag, es aber immer noch eine solide mechanistische Grundlage für die weitere Erforschung von Senolytika gibt.
Zukunftsrichtungen in der Langlebigkeitswissenschaft
Die Diskussionsteilnehmer erörtern abschließend, was erforderlich ist, um das Feld voranzutreiben:
- Durchführung groß angelegter Versuche am Menschen zur Validierung von Langlebigkeitsmaßnahmen.
- Entwicklung zuverlässigerer Biomarker zur Verfolgung des biologischen Alterns.
- Erhöhung der Finanzierung und des öffentlichen Bewusstseins, um die Prioritäten der NIH zu verschieben.
- Abwägung zwischen wissenschaftlicher Strenge und Innovation, um eine Überbewertung unbewiesener Behandlungen zu vermeiden.
Zusammenfassung
Dieser runde Tisch bietet eine eingehende Untersuchung der Versprechen und Herausforderungen der Wissenschaft der Langlebigkeit. Trotz der zunehmenden Begeisterung in der Öffentlichkeit betonen die Diskussionsteilnehmer, wie wichtig es ist, wissenschaftliche Strenge zu wahren und Sensationslust zu vermeiden.